Ich bin Windows-User seit Anfang der 90er Jahre. In den vergangenen sechs Monaten hingegen habe ich fast ausschließlich Linux genutzt. Ubuntu auf dem Desktop und Debian auf dem Notebook. Wie konnte es dazu kommen?
Nun, der Hauptgund war wohl, dass ich meinen alten Desktop-Rechner nicht aufrüsten wollte, nur um Windows Vista dort in Betrieb nehmen zu können. Auch wollte ich Steve Ballmer und seinen Schergen nicht schon wieder Kohle für eine Lizenz in den Rachen überweisen. Wozu sich denn eine schlecht ausgebildete und zu allem Überfluss noch unverschämt überbezahlte »Sekretärin« ins Haus holen, wenn es vielleicht auch anders geht?
Und es ging tatsächlich anders. Ich erinnerte mich noch dunkel an das Ende der 90er Jahre (»Ich versuch‘ seit vier Stunden bei dir anzurufen! Immer besetzt!«), als ich im Internet bzw. World Wide Web öfter mal das Wort »SuSE« gelesen hatte. Das war dieses merkwürdige Linux-Betriebssystem aus Nürnberg, das wegen mangelnder Hardware-Unterstützung für Normalsterbliche de facto unbrauchbar war, von langhaarigen Hippie-Hackern entwickelt wurde und einem darüber hinaus noch kriminelle Energien oder geistige Umnachtung attestieren konnte, sollte man es tatsächlich doch mal installiert bekommen. Das sagten mir jedenfalls schlaue Menschen im AOL-Chat, also musste das wohl stimmen. Trotzdem wechselte ich im Sommer 1999 vorsichtshalber den Provider.
Ich hatte nie sonderlich große Hacker-Ambitionen. Aber ich hatte mit Anfang 20 tapfer eine Hippie-Schlaghosen-Phase hinter mich gebracht und auch seit 15 Jahren die passende Frisur. Wieso also nicht doch mal ein Stelldichein mit dieser Suse wagen? Es gab sie sogar noch, nur hieß sie seit 2006 »openSUSE« und war mittlerweile in der Version 10.2 erhältlich. Aber Linux war ja nicht gleich openSUSE. Da gab es noch andere Distributionen. Distributionen, die man sogar als Live-System nutzen konnte. Nur war mein WLAN weder unter Knoppix noch unter Ubuntu zur Mitarbeit zu überreden. Und nur für dieses Linux ein langes Kabel aus meinem Arbeitszimmer quer durch den Flur zum Anschluss verlegen? Damit hätte Sandra mich spätestens nach zwei Tagen erwürgt, auch wenn sie sonst über ein Nervenkostüm aus Stahl verfügt.
Also musste menschlicher Rat herbei. Mein Kumpel Björn, Studiosus der Sonderpädagogik und seit längerem schon Linux-User mit ordentlich Ahnung auf der Shell, eilte mir dann letzten Winter zur Hilfe und verpasste meinem Rechenknecht openSUSE 10.3 als Dualboot neben Windows XP. Einen neuen WLAN-Stick musste ich mir dann aber tatsächlich doch noch kaufen. Das sei aber nicht Suses Schuld, sondern die Schuld der ignoranten Hardware-Hersteller, wie ich lernte.
Von Haus aus neugierig, hing ich nächtelang in Foren herum, lernte dort viele merkwürdige Kellerkinder Menschen kennen, las, dass Ubuntu sowieso nur Klickibunti-Quatsch für kleine Kinder ist, kaufte mir schlussendlich eine zweite Festplatte und veranstaltete darauf allerhand wildes Zeug. Irgendwann schaffte ich auf meinem Notebook sogar ein Upgrade von Debian stable auf testing. So schlau habe ich mich zuletzt wohl nur unmittelbar nach dem Bestehen des Abiturs gefühlt.
Hat das nun alles was gebracht? Ja, das hat es in der Tat: Freiheit! Zudem ist Linux schnell, stabil, ziemlich sicher und darüber hinaus noch kostenlos. Linux ist ein Betriebssystem, das die Arbeiten erledigt, die der User ihm vorschreibt – und nicht umgekehrt. Man muss auch heutzutage nicht einmal ausgewiesener Hacker sein, um die Vorteile eines quelloffenen Betriebssystems zu genießen.
Björn meinte im Dezember, also ich mich für seine Hilfe bei dem WLAN-Problem bedankte, scherzhaft zu mir: »Kein Problem. Ich freue mich, wenn ich jemanden ans Licht führen konnte.«
Na dann mal besten Dank dafür. 😉